„Der kleine Prinz“ allein ist selten Gegenstand einer universitären Forschung. Eine Ausnahme von der Regel ist jedoch Laurent de Galembert, heute Lehrer, der den „kleinen Prinzen“ zum Thema seiner Diplomarbeit gemacht hatte. Laurent ist noch keine sechs Jahre alt, als er, noch bevor er lesen kann, dem „kleinen Prinzen“ begegnet. Sein „erstes Buch“ ist in Wirklichkeit eine Audiokassette. Gérard Philippe liest das Märchen von Antoine de Saint-Exupéry. Der bezaubernde Tonfall dieser so eigentümlichen Stimme bleibt in der Erinnerung des Kindes verhaftet. Später entdeckt er durch die Lektüre von „Die Zitadelle“ weitere Facetten von Antoine de Saint-Exupéry. Am Ende seines Studiums möchte er den ganz besonderen Charme, des Textes, dem er als als Kind „erlegen“ war ergründen.

Die Analyse des „kleinen Prinzen“
Handelt es sich bei diesem für Kinder geschriebenen und sich an „große Leute“ richtenden Text nun um ein Märchen oder einen Mythos? Laurent de Galembert verwirft einen biografischen Ansatz, der es nicht ermöglicht, das Funktionieren eines Textes zu verstehen, und entscheidet sich gegen eine psychoanalytische Analyse, die seiner Meinung nach in diesem speziellen Fall nicht stichhaltig wäre; er beschließt somit, den Text mit den Instrumenten der strukturalistischen Erzähltextanalyse nach Vladimir Propp und Algirdas Julien Greimas zu untersuchen. Er entdeckt, dass die Reise des kleinen Prinzen eine „Parodie“ des philosophischen Märchens ist. Der Ansatz des Autors ist für Laurent de Galembert „hybrid“: Indem der Autor eine traditionelle literarische Form umgeht, verfeinert er diese, um sie zu parodieren“ und findet sich schließlich im Mythos wieder. Dies erklärt für Laurent de Galembert den Erfolg und die Universalität des „kleinen Prinzen“. Der Text erhält seine Anziehungskraft zugleich durch die Naivität des Märchens und die Gravität des Mythos, spricht sein kindliches Publikum durch einen extrem einfach geschriebenen Text an und gewinnt sein erwachsenes Publikum durch eine Vision, die der Welt einen Sinn verleiht.

Laurent hofft, dass seine Arbeit diejenigen zum Schweigen bringt, die dem Text eine gewisse „Manieriertheit“ vorwerfen: ganz im Gegensatz zu dem Eindruck, der aus einer oberflächlichen Lektüre entstehen kann, ist der Text des „kleinen Prinzen“ zugleich von einer poetischen Nostalgie und einer Verzweiflung geprägt, die nur durch die Erkenntnis überwunden werden kann, dass die Welt, die uns umgibt, Schein ist. Indem Laurent de Galembert die unterschiedlichen Lektüreebenen identifiziert, arbeitet er die immense Reichhaltigkeit eines Textes heraus, dessen Einfachheit ein Mittel ist, um sich an weitere, weitaus komplexere Bedeutungen heranzutasten.

8 Jahre später
Laurent de Galemberts Abschlussarbeit wurde mit der Note Gut bewertet und ist inzwischen im Verlag Le Manuscrit erschienen. Mit dem heutigen Abstand findet er sie allerdings unzureichend: „Ich denke, dass gewisse Dinge überarbeitet werden müssten“, so Laurent. Inzwischen hat er seine Diplomarbeit online gestellt. Unmittelbar danach füllte sich seine Mailbox mit Nachrichten aus der ganzen Welt: von Akademikern auf der Suche nach neuen Forschungsergebnissen, von Unbekannten, die ihn über ihre Passion für den „kleinen Prinzen“ berichten. Andere wiederum bitten ihn um seine Meinung zu ihrer eigenen Analyse des philosophischen Märchens von Saint-Exupéry.
Über die literarische Analyse hinaus ist Laurent de Galembert immer noch dem „kleinen Prinzen“ verbunden, ergriffen von einem Text, der uns lehrt, dass unser Körper eine Hülle ist: „man soll nicht traurig sein um solche alten Hüllen“, sie sind nichts als die Hülle dessen was bleibt, dessen, was unsterblich ist. In diesem Sinne ist auch Antoine de Saint-Exupéry selbst – dank diesem kleinen Burschen – in unserem Leben immer präsent ist. Laurent de Galembert hat ein ganzes Regal auf dem er verschiedenste Gegenstände versammelt, die mit dem „kleinen Prinzen“ zu tun haben. Antoine de Saint-Exupéry ist für ihn auch heute ein Bezugspunkt: Niemand spricht besser über „Brüderlichkeit.“

Weitere Texte von Laurent de Galembert finden Sie auf seiner Website : http://nitescence.free.fr/memoires.htm